Das hier ist (für mich) ein schönes Foto, auch wenn es nicht wirklich was gigantisch Tolles zeigt. Und damit sind wir schon beim Punkt. Entstanden ist es beim Kleinen Fest im Großen Garten in Hannover. Auf diesem beschaulichen Fleckchen Erde haben wir es uns bequem gemacht, um nach dem Programm der Künstlerinnen und Künstler das abschließende Feuerwerk zu bestaunen. Dafür sieht das Bild ganz schön langweilig aus, oder? Keine Künstler und erst recht kein Feuerwerk. Die Frage ist: “Warum”? Die Antwort ist eine Erkenntnis, die sich bei mir im Lauf der Jahre eingestellt hat.
Wir leben in einer Welt, in der viele Menschen (ich eingeschlossen) gerne jedes Fitzelchen fotografieren. Sei es ein leckeres Essen, eine Grimasse oder irgend etwas anderes Alltägliches. Aber genau das ist der Punkt: ich fotografiere vieles Alltägliche sehr beiläufig, während ich inzwischen wieder versuche, besondere Gelegenheiten und Momente bewusster zu erleben, anstatt sie zu fotografieren.
Dafür ist das Feuerwerk beim Kleinen Fest ein gutes Beispiel. Die Fotografie, das Internet und letztlich das Leben haben mich zwei Dinge gelehrt:
- Ein Feuerwerk kriegst Du mit dem Handy weder anständig fotografiert noch anständig gefilmt. Versuch es gar nicht erst – hast Du schon unzählige Male.
- Nach Konzerten wird man bei YouTube *immer* Videos des Auftritts finden, gefilmt von Leuten, die noch weiter vorne standen und eine ruhigere Hand haben. Und selbst wenn nicht: who cares?
Daraus habe ich meine Schlüsse gezogen. Das Feuerwerk habe ich ganz bewusst genossen, ohne auch nur einmal nach der Kamera zu greifen. Glaubt es mir: es ist echt schöner in so einem Moment die Freundin im Arm zu halten, als mit einer Kamera herumzuwerkeln. Irgendwie habe ich auch das Gefühl, dem Moment seine Einmaligkeit wiederzugeben, ihn wertvoller zu machen. Das, was in einem vorgeht wenn man am Ende eines schönen Abends gebannt in den Himmel schaut und das Feuerwerk bestaunt, kann keine Kamera der Welt reproduzieren. Wenn ich mir nun irgendwann das Foto von *vor* dem Feuerwerk ansehe, werden sich bei mir auch so viele schöne Erinnerungen einstellen, ohne dass alle minutiös im Bild festgehalten sein müssen.
Bei Konzerten habe ich mir eine ähnliche Lässigkeit antrainiert. Früher gab es Konzerte, bei denen ich die Kamera fast die ganze Zeit im Anschlag in der Hosentasche hatte. Es könnte ja sein, dass da auf der Bühne gleich eine ganz tolle Sache passiert, die ich für die Ewigkeit festhalten muss. Jetzt noch ein Foto von der Bühne, die gerade so toll in blaues Licht getaucht ist. Und jetzt ist sie noch mal orange ausgeleuchtet. Toll. Das *muss* ich fotografieren! Auch dem Stress setze ich mich nicht mehr aus. Zugegeben: so ganz ohne Fotos komme ich bei einem Konzert auch nicht aus. Oftmals wird schnell noch ein “Wow, gute Plätze, toller Blick auf die Bühne”-Foto per Instagram rausgeschossen. Aber sobald das Licht ausgeht und die Show beginnt, nutze ich nur wenige kurze Momente, um meiner “dokumentarischen Pflicht” nachzukommen. Danach kommt die (Handy-)Kamera wieder in die Hosentasche und von da an wird genossen.
Nicht alles wird dadurch besser, dass man hunderte Fotos davon macht. An die wirklich wichtigen Kleinigkeiten (“...und dann hat Bryan Adams voll nicht gecheckt, dass da gerade vor der Bühne ein Heiratsantrag gemacht wurde…”) erinnert man sich auch ohne Fotos. Und sei es auch nur, weil andere diese Momente festgehalten und im Netz geteilt haben. Man könnte fast sagen: die wirklich wichtigen Fotos werden mit dem Herzen gemacht.
Bryan Adams, noch so’n Ding. Als wir letztens beim Konzert waren, saß wenige Meter neben uns ein Mann, der gefühlt die erste halbe Stunde des Auftritts mit einer Videokamera gefilmt hat. Komplett. In einem Rutsch, nicht nur einzelne Szenen. Und da frage ich mich auch: warum? Es war sehr offensichtlich eine Privatperson, also kein Crew-Mitglied, das beauftragt war, die Show zu filmen. Während alle anderen sich an das Konzert erinnern und sagen: “Wow, war das toll, wie wir alle mitgegangen sind, mitgeklatscht und wie aus einer Kehle mitgesungen haben”, kann er dann sagen: “Nee, mitgehen konnte ich nicht, dann hätte es ja das Bild verwackelt. Aber dafür kann ich mir diese halbe Stunde, die ich nur durch das Display meiner Kamera gesehen habe, immer und immer wieder ansehen!” Ist das erstrebenswert?
Auch beim Sport hat sich mein Fotografier-Verhalten geändert. Früher habe ich des öfteren mal angehalten, habe auf meinen Touren ein paar nette Fotos gemacht; und sei es auch nur, um der Liebsten ein Bild zu schicken mit der Botschaft: “Hier! Lebe noch! Kein Unfall!”. Inzwischen denke ich nur noch in den seltensten Momenten daran, kurz anzuhalten, das Handy aus seiner Halterung zu friemeln, um dann ein Foto zu machen. Selbst eine herrliche Sommerwiese mit knallig gelben Sonnenblumen konnte mich letzten nicht zum Anhalten bringen. Dabei wäre das echt ein schönes Motiv gewesen. Auch auf dem Fahrrad genieße ich lieber den Moment, anstatt zu versuchen ihn festzuhalten. Ich fahre an dem Sonnenblumenfeld vorbei, erfreue mich an dessen Anblick, atme tief ein und bin einfach glücklich. Keine Zeit für Technik. Wie seht Ihr das?