April 1917: die britischen Corporals Blake und Schofield bekommen einen gefährlichen Auftrag, von dessen Gelingen das Überleben von 1.600 Kameraden abhängt. Sie sollen über den Frontwall steigen, das Niemandsland durchqueren und eine Kompanie von einem Angriff abhalten, da es sich um eine Falle der deutschen Soldaten handeln soll. Doch so ganz ungefährlich ist der Weg nicht, obwohl sich die Deutschen von diesem Abschnitt der Front zurückgezogen hatten.
Wenn ein absoluter Filmliebhaber in einem Podcast erzählt, dass “1917” seine gesamten Oscar-Vorhersagen noch einmal verändert hat, weil der Film dermaßen beeindruckend ist, muss etwas Wahres dran sein. So geschehen in unserem Podcast Nerdtalk, Sendung 550, in dem unser Gast Seba von dem Film nur schwärmen kann.
Nachdem ich ihn nun auch gesehen habe, muss ich ihm recht geben. “1917” ist ein außergewöhnlicher Film, der die Leiden der Soldaten schon fast physisch spürbar werden lässt. Im Gegensatz zu vielen anderen Kriegsfilmen geht es hier nicht vorrangig um die Handlung an sich. Ein Auftrag wird erteilt und unter Mühen abgearbeitet. So weit, so gut. Wie das ganze jedoch in Szene gesetzt wird (und inzwischen auch u. a. mit einem Oscar für die beste Kameraarbeit prämiert ist), ist mehr als außergewöhnlich.
“1917” gibt vor ein “One-Shot-Movie” zu sein, ein Film, der ohne sichtbaren Schnitt auskommt. Schon Tom Tykwers hervorragender “Victoria” lebte davon, dass er die Zuschauer hautnah und ohne Schnitt mit auf eine Reise nimmt. Dadurch wirkt der Film unglaublich authentisch. Auch wenn hier diverse Tricks angewendet werden und die Nacht durch einen besonderen Kniff quasi “übergangen” wird, wirkt der Film wie aus einem Guss. Spannend, dass trotzdem keine Langeweile aufkommt. Natürlich besteht Krieg nicht vorrangig aus Schießereien, sondern hauptsächlich aus Angst und Langeweile, gepaart mit Hoffnungslosigkeit und Heimweh (oder eben auch nicht?!). Regisseur Sam Mendes versteht es in seinem Drehbuch meisterhaft, jederzeit etwas für den Zuschauer bereit zu halten, das die Atmosphäre weiter trägt. Handlungsarme Szenen werden mit stimmigen Dialogen gefüllt, die haargenau so an der Front entstehen könnten. Andere Szenen machen dafür umso mehr bewusst, wie schnell und wie belanglos das Leben aber auch in Gefahr sein kann. Zur falschen Zeit am falschen Ort und schon ist es vorbei, ohne dass jemand um einen weint.
Für mich fühlte es sich so an, als würde ich zwei Stunden lang mit offenem Mund den Atem anhalten. Unterstützt wurde die eh schon bedrückende Stimmung durch den hervorragend inszenierten Soundtrack, der mal behutsam, mal mit vollem Bombast für eine noch dichtere Atmosphäre sorgt.
Auch das Szenenbild ist fantastisch gelungen. In einer Landschaft das verkraterte Niemandsland und Häuserruinen darzustellen, ohne dass die Kamera die Möglichkeit hat, einen sichtbaren Schnitt zu vollziehen, ist bemerkenswert. Spätestens wenn die Kamera mal einen schönen Schwenk macht, fragt man sich unweigerlich “Müsste da jetzt nicht bald mal das Film-Team im Bild erscheinen?” Nein, tut es nicht. “1917” fühlt sich nicht gestellt an, sondern so als wäre ein Drehteam mit Handkamera immer direkt am Mann. Dadurch entsteht eine fast unerträgliche Nähe, die mich mächtig beeindruckt hat.
Nach dem Film konnte ich Seba nur zustimmen: “1917” ist ein herausragender Film, der viel mehr als viele andere den Krieg erlebbar macht und sich dabei mehr an das Gefühl als an eine perfekte Handlungsebene richtet.
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