Am vergangenen Sonntag habe ich einen weiteren Punkt meiner 2020er-Bucket-List abgehakt: einen VHS-Kurs machen. Es ging um das Thema “Berufliche Neuorientierung”
Sonntag? Ja, genau: Sonntag. Der Kurs begann um 8:30 Uhr in Hannover. Und so saß ich also kurz nach 8 Uhr im Zug, ungefrühstückt, hatte noch keinen Kaffee getrunken und blickte in den trüben hannoverschen Morgenhimmel. “Was hast du dir dabei bloß gedacht? Eigentlich hast du deinen Entschluss doch schon gefasst?! Naja, irgendwie wirst du von diesem Tag schon profitieren…” Habe ich auch!
Zuerst gab es mit einer Laugenstange ein “Frühstück to go”, das ich in der morgendlich-verwaisten Innenstadt weggemümmelt habe. Um mir keinen Wegwerf-Kaffeebecher kaufen zu müssen, hatte ich zumindest den Themobecher der Herzallerliebsten ausgeliehen und verpasste mir zu Beginn der Veranstaltung den nötigen Schuss Koffein.
Wir waren eine sehr illustre Runde, in der ich als der einzige Mann natürlich aufgefallen bin – und ab und an auch mal als Dolmetscher die Business-Manierismen der Männer im Job erklären musste. Aber: die Damen haben mich allesamt sehr gut behandelt und ich war nicht der Boxsack, der stellvertretend für die gesamte Männerwelt für Prügel herhalten musste.
Hatte ich zuvor gedacht, dass in diesem Kurs sicherlich ausschließlich Personen sitzen würden, die in ihrem jetzigen Job keine Perspektive mehr sehen und Hilfestellung brauchen, um irgendwie da raus zu kommen, wurde ich eines besseren belehrt: jeder von uns hatte eine ganz individuelle Story zu erzählen. Unsere Dozentin hat die Vorstellungsrunde so ausführlich gemacht, dass wir damit bis zur Mittagspause die Zeit rum bekommen haben. Jeder wurde individuell nach seinen Bedürfnissen gefragt und auch schon mit wichtigen Ansätzen versorgt. Uns kam sehr zugute, dass wir insgesamt nur 5 Teilnehmer waren und so auch viel Platz für die entsprechenden Gespräche blieb. Die Dozentin hat es auch super geschafft, uns alle bei jedem einzelnen Gespräch mit einzubeziehen. Wir waren also nie nur Zuschauer einer “Einzelberatung”, sondern wurden immer wieder eingeladen, mitzudenken und eigene Erfahrungen und Ideen mit einzubringen.
Als ich dran war und meine momentane Situation grob umrissen hatte und letztlich mit der von mir geplanten Lösung schloss, gab mir die Dozentin ermunternd ihre “Absoultion”, wie sie es genannt hat. Sie findet, dass mein geplanter Weg eine gute Möglichkeit ist mit meiner aktuellen Situation umzugehen – und dass ich sehr selbstreflektiert bin. Tja, über mich selbst nachgrübeln, das konnte ich schon immer. 😉
Weswegen dieses Seminar aber so erinnerungswürdig ist, war eine Übung der Motiavationstrainerin Sabine Asgodom, die wir im Anschluss gemacht haben. Die hat mir absolut die Augen geöffnet und mich ziemlich begeistert.
Kurz erklärt: es werden 12 Wortpaare aus beruflichem Umfeld vorgestellt, aus denen man nach dem bekannten “A oder B”-Prinzip jeweils denjenigen aussuchen sollte, der einem im Beruf wichtig ist. Enthalten waren solche Begriffe wie Spaß, Unabhängigkeit, Kollegialität, Ruhm etc. Ohne großes Nachdenken hieß es dann, jeweils einen Begriff auszuwählen und niederzuschreiben. Anschließend wurde das gleiche Spiel noch mal mit den 12 gewählten Begriffen gemacht, so dass nur noch 6 übrig blieben. Nach einer weiteren Runde stehen logischerweise nur noch drei Begriffe auf dem Blatt. Und diese drei Begriffe sind letztendlich die drei größten Motivatoren.
Und das hat mir dann tatsächlich die Augen geöffnet, denn meine drei Motivatoren heißen Spaß, Kollegialität und Sicherheit. Und spätestens da lag dann mein zukünftiger Weg vor mir: weder möchte ich meine lieben Kolleginnen hergeben, mit denen ich trotz all dem uns umgebenden Stresses viel Spaß habe, noch möchte ich auf die Sicherheit verzichten, die mir nun mal ein Job im Öffentlichen Dienst nach 26 Jahren zu bieten hat.
Und so wurde bei mir aus dem Kurs “Berufliche Neuorientierung” eher ein neues Ausloten der Kompassnadel im bestehenden Job. Mein Beschluss ist gefasst und wenn er tatsächlich Wirklichkeit wird, werde ich hier auch mehr dazu berichten.
…aber solange kann ja jeder mal die Übung selbst machen und seine eigenen Motivatoren herausfinden. Die 24 Worte findet ihr hier.